Kapitel 3: Rechenspiele
Ich habe wieder einmal den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht, mir unbedingt etwas eingebildet und nicht darüber nachgedacht, ob ich das überhaupt nützen kann, oder ob ich mich in dem Fall doch für ein anderes Fahrzeug entscheiden hätte sollen. Und was macht man in so einem Fall als Techniker? Genau, man rechnet es durch. Und wenn einem das Ergebnis nicht passt, rechnet man nochmals. Solange bis man beruhigt ist. Man hat doch alles richtig gemacht.
Also auf geht’s. Punkt 1: Wie lange braucht eigentlich das von mir ausgewählte Fahrzeug zuhause an der Steckdose, bis es wieder geladen ist? Bevor ihr jetzt denkt: „Steckdose? Warum nicht Ladestation?“ Nein, ich will das nur theoretisch wissen. Für den Fall, dass meine Ladestation einmal nicht funktioniert oder unterwegs dann doch mal keine verfügbar wäre. Nun, diese Rechnung ist verhältnismäßig einfach und stimmt nach meiner bisherigen Erfahrung auch tatsächlich recht gut mit der Realität überein:
Kapazität der Batterie: 75 kWh
Ladeleistung Steckdose: 2.200 W = 2,2 kW
Ladezeit von 0% auf 100%: 75 kWh / 2,2 kW = 34 h
Ähm, ja, eineinhalb Tage muss das Auto also stehen, damit es an der Steckdose voll wird. Aber da habe ich mich dann doch gleich wieder beruhigen können: Komplett leer steht er ja ohnehin nie in der Garage, und eine Steckdose soll man ja nie verwenden. Zum „Warum-nicht-an-der-Steckdose“ komme ich dann nochmals später.
Diese erste Rechnung war jetzt vor allem zum Aufwärmen, denn relevant ist sie tatsächlich nicht. Schon interessanter sind da die Berechnungen für die Heimladestation und die Schnellladestationen. Zunächst aber noch ein Hinweis: Bei diesen Berechnungen werden häufig unterschiedliche Werte durcheinandergeworfen. Am häufigsten passiert das mit „kWh“ und „kW“. Ich beschreibe später noch, was die einzelnen Angaben überhaupt bedeuten und wovon sie abhängig sind.
Also Rechnung Nummer zwei: Die Heimladestation. Das ist doch scheinbar auch einfach: Die haben doch alle 22 kW – also 75 kWh / 22 kW = 3,4 h. Hurra – das macht doch schon mehr Laune.
Und Rechnung Nummer drei: Die Schnellladestation. Schnell gegoogelt, Schnelladestation bieten Ladeleistungen von Teilweise 350 kW an. 75 kWh / 350 kW = 0,21h ~ 13 Minuten. In der Zeit geht sich bei unserer vierköpfigen Familie noch nicht mal eine Pinkelpause aus. Zumindest, wenn alle mal müssen… So macht das dann schon Spaß.
Aufmerksame Leser und jene, die sich schon mehr damit beschäftigt haben, werden jetzt aber sagen: so einfach ist das aber gar nicht! Stimmt. Leider. Und jetzt gehen Rechnen und Argumentieren für die Elektromobilität erst so richtig los.
Woher kommt also welche Angabe und welche ist dann für mich relevant? Die (für mich) „relevanteste“ Angabe ist die Ladeleistung. Und hier muss man zwischen 3 Werten unterscheiden:
- Was kann mein Auto?
- Was bietet die Ladestation?
- Was kommt tatsächlich beim Laden heraus?
Und dann gibt es noch eine Unterscheidung zwischen „AC“ und „DC“. AC – also Wechselstrom – kommt aus der normalen Steckdose und der klassischen „Wallbox“ oder „Heimladestation“. DC – also Gleichstrom – kommt aus den Schnellladestationen. Zum Laden der Batterie benötigt man immer Gleichstrom, was bedeutet, dass bei der Wallbox das Auto selbst den Wechselstrom in Gleichstrom umwandelt.
Als Beispiel hier die Daten meines Fahrzeugs:
- AC-Ladung: maximal 11 kW
- DC-Ladung: maximal 110 kW
Das sind, obwohl ein Fahrzeug der Oberklasse, aktuelle Standardwerte – das sollte also jedes vernünftige E-Mobil können – und einige sind hier schon wesentlich besser.
Bei einer Schnelladestation in meiner Nähe wird folgendes angegeben:
- Typ 2: maximal 43 kW
- CCS: maximal 350 kW
- CHAdeMO: maximal 53 kW
Wer soll da jetzt noch durchblicken? Was ist jetzt welcher Wert? Ja, genau das ist in meinen Augen der größte Schwachpunkt an der Elektromobilität. Es scheint manchmal, als ob mit Fortschreiten der Elektromobilität auch die Anzahl der Abkürzungen wächst. Unter „Typ 2“ wird in der Regel der standardisierte Stecker für das Wechselstromladen verstanden. CCS (manchmal auch CCS Typ 2) ist die Abkürzung für „Combined Charging System“ und ist der in Europa und den USA gängigste Stecker für die Gleichstromladung. Dieser Stecker ist im Grunde der vorhin erwähnte Typ 2 Stecker mit zusätzlichen Polen für die Gleichspannung. CHAdeMO hingegen ist eine eigentlich in Japan entwickelte Steckertype, die man auch bei uns gelegentlich findet.
Übersetzt heißt die Angabe also:
- AC-Ladung: maximal 43 kW
- DC-Ladung: maximal 350 kW
- Japanische Autos: maximal 53 kW (😉)
Nützen kann man dann die niedrigste angegebene Leistung. Also bei der Ladestation in meiner Nähe mit meinem Fahrzeug wären das 11 kW bei Wechselstrom (theoretisch knapp 7h) und 110 kW bei Gleichstrom (theoretisch knapp 41 Minuten). Ist jetzt auch nicht ganz dramatisch.
Hui, das waren jetzt viele Zahlen. Ich brauche jetzt eine Pause. Und dann geht es mit der Auswahl meiner Ladestation („Wallbox“) weiter.