Kapitel 11: Hilfe - 00%!
Obwohl in Italien alles auf Italienisch (irgendwann werde ich doch noch einen Sprachkurs machen) angeschrieben ist, funktioniert das Laden im Hotel bestens. Kabel anstecken, Karte hinhalten, fertig. Man hört ein, zwei Mal ein leises Klacken, wie wenn jemand mit der Zunge schnalzen würde. Und dann ein leises Surren, wenn das Auto lädt, wie bei einer zufriedenen Katze.
Und jetzt? Sollen wir noch warten, ob auch alles passt? Oder können wir entspannt gehen? Kurz überlegen wir, doch dann ist unser Wunsch nach Entspannung doch größer. Oder viel mehr jener nach einem guten Stück Kuchen. Also lassen wir unser Kätzchen weiter schnurren.
Etwas später, der Kuchen hat meinen Zuckerspiegel und somit meine Laune deutlich angehoben, fällt mir ein, dass es da ja so eine App gibt. Vom Auto meine ich. Die kann allerlei Spielerein, wie sie eben ein fortschrittliches, digitales Auto kann. Bei einem Elektroauto ist aber die Überwachung des Ladezustandes eine der wesentlichen Funktionen. Also nehme ich mein Smartphone zur Hand und siehe da: Es meldet, dass der Ladevorgang erfolgreich gestartet wurde, vor 2 Stunden.
Natürlich zeigt die App auch den aktuellen Ladezustand und wie schnell die Ladung erfolgt. Je nach Hersteller wird das in km/h angezeigt oder (für mich als Techniker viel schöner) in kW. Die km/h-Anzeige gibt einem einen Hinweis, wie lange man sein Auto hängen lassen muss, wenn man zum Beispiel noch 150 km vor sich hat. Wenn die App 75 km/h anzeigt, dann dauert es also etwa 2 Stunden, um diese 150 km geladen zu haben.
Ich als Techniker möchte aber gerne wissen, ob die Ladestation auch gut funktioniert. Und das sagt mir die km/h Anzeige leider nicht, denn das ist vom Verbrauch des Autos abhängig. Wenn aber bei meinem Auto die App 11 kW an Ladeleistung anzeigt, dann weiß ich, dass das das Maximum ist, welches mein Auto schafft. Und somit, dass die Ladestation perfekt funktioniert. Daher bin ich ganz zufrieden.
Schön wäre noch, wenn meine App auch anzeigen würde, wie lange es dauert, bis es fertig geladen ist. Das kann meine App zum Beispiel nicht immer. Ich bin noch nicht ganz dahintergekommen, wann dies angezeigt wird und wann nicht. Aber das lässt sich überschlagsmäßig ja im Kopf ausrechnen: 100% will ich, 40% waren es beim Anstecken, also will ich 60% laden. Das Auto hat einen 75 kWh-Akku, also entsprechen die 60% genau 45 kWh. Bei 11 kW Ladeleistung sind es etwas mehr als 4 Stunden.
Ich hole also das Auto kurz vor dem Abendessen wieder ab und parke auf einem „normalen“ Parkplatz.
Am nächsten Tag fahren wir nach Bozen. Als wir zum Auto kommen, sehe ich kopfschüttelnd, dass auf dem überdachten Parkplatz mit der Ladestation ein schwerer SUV steht. Nein, kein Hybrid und natürlich auch kein E-Mobil. Dafür steht er so, dass beide Parkplätze, von denen aus die Ladestation genutzt werden kann, belegt werden. Es wird wohl noch eine Zeit dauern, bis sich das aufhört.
Wir steigen ein, geben den Parkplatz in Bozen im Navi ein und fahren los. Es geht nur bergab. Bei einigen Elektroautos kann man einstellen, wie stark rekuperiert werden soll. Dieses Wort sollte man sich merken, wenn man bei Diskussionen glänzen will. Das Rekuperieren „ersetzt“ quasi die Motorbremse des Verbrenners. Mit dem Unterschied, dass dabei die Batterie des Autos geladen wird. Das funktioniert deshalb, weil ein Elektromotor auch umgekehrt als Generator verwendet werden kann. Und das vollkommen dynamisch ohne großartigen Eingriff von außen. Strom ist schon etwas Schönes.
Was ich eigentlich sagen wollte: Durch das Rekuperieren bremst der Motor das Auto ab. Und das lässt sich bei den meisten Elektroautos einstellen – also wie stark der Motor bremsen soll. Meist mit einem kleinen Tastendruck. Ganz noble Autos haben dafür einen Automatikmodus – also die wissen dann über das GPS, wo starke Kurven sind oder Geschwindigkeitsbegrenzungen und so weiter. Und dann machen die das auch noch automatisch. Vor der Kurve stärker bremsen zum Beispiel. Und dann hat man beim Bergabfahren nur noch das Lenkrad, auf das man sich konzentrieren muss. Und es gibt kein ohrenbetäubendes Surren des Motors, weil man mit dem ersten Gang den Berg hinunterfahren muss, damit die Bremsen nicht überhitzen.
Wir fahren also gemütlich und elektrisch-entspannt Richtung Bozen. Doch nach ein paar Minuten plötzlich die entsetzte Frage meiner Freundin: Ist das Auto nicht aufgeladen? Ich schüttle den Kopf, natürlich, ist ja seit gestern voll. Aber das Navi zeigt 00% beim Ziel!
Zuerst habe ich sofort auf die Ladeanzeige gesehen. Voll. Dann ob ich irgendeine Fehlermeldung sehe. Nein. Und dann ist es mir eingefallen: Vermutlich haben die beim Programmieren des Navis einfach nicht damit gerechnet, dass sie eine 3-stellige Prozentanzeige benötigen. Wer rechnet denn auch im Flachland damit, dass ein Auto mit 100% starten könnte und nur bergab fährt. Vermutlich hätten wir 110% dort stehen sehen müssen, wenn das denn möglich wäre.
Und bei der Ankunft am Parkplatz war dann auch alles gut. Voller Akku. Wieder etwas gelernt. Wenn wir wieder zurück im Hotel "am Berg" sind, lade ich dann aber sicher nochmals auf 100% auf. Sicher ist sicher. Denn Überraschungen will ich im Urlaub nun wirklich nicht erleben. Zumindest keine, die mit leerem Akku zu tun haben…